Wie wählen Hunde ihre Bezugsperson?

Warum hat mein Hund eine Lieblingsperson – und was steckt dahinter?
Das Verhältnis zwischen Mensch und Hund beruht oft auf einer engen Bindung – doch wie genau trifft ein Hund die Entscheidung, sich gerade zu einer Person besonders hingezogen zu fühlen? In diesem Beitrag beleuchten wir wissenschaftliche Erkenntnisse und praxisrelevante Aspekte, damit Sie als Hundetrainer oder Hundebesitzer besser verstehen, was im Kopf Ihres Vierbeiners vorgeht.
Was ist eigentlich eine Bindung aus hundepsychologischer Sicht?
In der Kynologie bezeichnet man als Bindung jene soziale Beziehung, in der der Hund eine Person als „sichere Basis“ wahrnimmt: Er fühlt sich in ihrer Nähe sicher und orientiert sich in unsicheren Situationen an ihr.Diese Bindung entsteht teils durch genetische Anlagen, teils durch Sozialisation und Lebenserfahrung.Eine sichere Bindung ermöglicht es dem Hund, seine Umwelt mit Selbstvertrauen zu erkunden – denn er weiß, dass er bei Unsicherheit Schutz und Geborgenheit bei seiner Bezugsperson findet.
Wesentliche Faktoren bei der Auswahl der Bezugsperson
- Frühe Prägung und sensible Phasen
In den ersten Lebensmonaten (ca. bis zur 12. Lebenswoche) bildet sich die anfängliche soziale Prägung stark aus. Wer in dieser Zeit häufig Nähe, Zuwendung und positive Erfahrungen bietet, hat gute Chancen, zur primären Bezugsperson zu werden.Doch auch im späteren Leben sind Hunde durchaus in der Lage, neue Bindungen aufzubauen – insbesondere wenn sie positive Interaktionen und Verlässlichkeit erfahren.
- Verlässlichkeit, emotionale Stabilität und Sicherheit
Hunde achten bei Menschen keineswegs nur auf Futter. Viel stärker zählt, wer regelmäßig emotionale Sicherheit gibt, konsistent handelt, Ruhe vermittelt und keine unnötige Spannung erzeugt.Als Beispiel: Ein Mensch, der ruhig bleibt in aufregenden Situationen oder in Unsicherheit Sicherheit ausstrahlt, hat bessere Chancen, als Bezugsperson anerkannt zu werden.
- Positive Erfahrungen & belohnende Interaktionen
Regelmäßige positive Erlebnisse – etwa Zuwendung, Spielen, sanfte Berührung oder Training mit Spaß – stärken das Vertrauen und die emotionale Bindung.Interessanterweise zeigte eine Studie mit streunenden Hunden, dass zunächst Futter als Belohnung bevorzugt wurde. Nach einigen Tagen machte sich jedoch kein Unterschied mehr zwischen Futter und Streicheln – beide Formen von Zuwendung wirkten vergleichbar beim Aufbau sozialer Bindung.Auch in urbanen Studien wurde beobachtet, dass Hunde relativ schnell lernen, wer ihnen konstant etwas Positives bietet.
- Kommunikation: Körpersprache, Tonfall und nonverbale Signale
Hunde messen sehr genau, wie wir uns verhalten. Tonfall, Körpersprache, Mimik und allgemeine emotionale Haltung spielen eine große Rolle. Wer Stress, Unsicherheit oder Spannung ausstrahlt, wird seltener als Vertrauensträger ausgewählt.Sie beobachten uns ständig, auch wenn wir denken, wir seien unauffällig – und reagieren auf unsere Stimmung oft schneller, als wir uns unserer Gedanken bewusst sind.
- Konsistenz und Nähe im Alltag
Jemand, der häufig präsent ist, positiv interagiert und Zutritt in Alltagsleben des Hundes hat (z. B. Füttern, Spaziergänge, Pflege, spielerischer Kontakt), hat eine höhere Chance, als Bezugsperson wahrgenommen zu werden.
Interessant: Der Lieblingsmensch eines Hundes ist nicht zwangsläufig der rechtliche Besitzer – oft entscheidet das Zusammenspiel von Präsenz, Verlässlichkeit und positiver Bindung.
Warum der Hund manchmal “falsche” Wahl trifft — und wie wir das verstehen
Manche Hunde entwickeln eine starke Bindung zu Personen, die zwar weniger Verantwortung übernehmen (z. B. ein Hundesitter, Spaziergänger oder Freund), aber besonders viele positive Erfahrungen bieten.Wenn z. B. der Besitzer wenig Zeit hat, aber gelegentlicher Kontakt besonders angenehm ist, kann der Hund jemanden als „Favoriten“ wählen, der weniger Zeit, aber mehr bewusste wertvolle Interaktion bietet.Auch Rasse, Charakter und frühere Erfahrungen (z. B. aus dem Tierheim) beeinflussen, wie wählerisch ein Hund ist oder wie schnell er Bindungen wechselt.
Als Hundeschule: Wie unterstützen wir ein gesundes Bindungsverhalten?
Aufklärung & Beratung: In Schulungen und Workshops Hundehalter sensibilisieren, wie wichtig konsequente, positive und stressfreie Interaktion ist.Trainingseinheiten mit Fokus auf Beziehung: Übungen, die nicht nur Gehorsam fördern, sondern Vertrauen, ruhige Präsenz und Nähe stärken.Bindungs-Check: In Einzelstunden das bestehende Bindungsverhalten analysieren – wo fehlen positive Erlebnisse, welche Person ist im Alltag präsent?Empfehlung zur Routine: Besitzer ermutigen, regelmäßig Zeit für bewusste, stressfreie Begegnungen einzuplanen (Spaziergänge gemeinsam, Spiele, sanftes Training).Unterstützung bei Wechseln: Bei Hundeneuzug oder Umzug helfen, neue Bindungspersonen aufzubauen, z. B. mit Übungen, bei denen mehrere Familienmitglieder integriert werden.
Fazit: Bindung entsteht durch Vertrauen, Präsenz und positive Erlebnisse
Hunde wählen ihre Bezugsperson nicht zufällig: Sie orientieren sich daran, wer ihnen Sicherheit gibt, positive Erlebnisse ermöglicht und emotional stabil agiert. Frühe Prägung, Alltag, Kommunikation und Konsequenz spielen eine große Rolle. Auch wenn nicht immer der Eigentümer der „Lieblingsmensch“ ist – wer emotional verlässlich ist, hat gute Chancen, diese Stelle einzunehmen.
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